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Diskussionsthema: Multilingualität und Sprachaneignung im Unterricht
Die müssen doch Deutsch lernen! In der Praxis wird das Thema diskutiert und auch Schüler sagen, der Unterricht soll monolingual sein. Die andere Sprache ist für Zuhause.
Wie kann die Umsetzung im Unterricht aussehen? Welche Hürden (z.B. Sprachkenntnisse, Motivation etc.)? Wie sehen erfolgreiche Konzepte aus?
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ZUR BEFRAGUNG
Der Ansatz des Translanguaging stellt für mich eine interessante Sichtweise da, wie mit Mehrsprachigkeit wertschätzend und gewinnbringend umgegangen werden kann. Dieses gilt für mich sowohl in Bezug auf den schulischen Bereich, als auch auf das allgemeine Zusammenleben in meiner multilingualen Gesellschaft.
Bezogen auf den Unterricht an Schulen, kann ich mir folgende Vorteile vorstellen:
Es ist sicher effektiv, den Sprechern die Entscheidung zu überlassen, welche Sprache verwendet wird oder welche „features“ aus einer Sprache abgerufen werden. Da in der Schule als Unterrichtssprache überwiegend Deutsch gesprochen wird, wäre es möglicherweise sinnvoll Gespräche, bei denen die gesamte Klasse beteiligt ist, auf Deutsch zu führen. Dazu zählen für mich auch Phasen der Ergebnissicherung, Leistungskontrollen wie Klassenarbeiten oder auch die Unterrichtssprache der Lehrperson.
Innerhalb von Gruppenarbeiten oder generell Arbeitsphasen kann ich mir gut vorstellen, der Sprecherin oder dem Sprecher die Wahl seiner Sprache zu überlassen – so könnten „Vorprodukte“ wie Notizen, Vorschriften oder andere Verschriftlichungen, die noch nicht das Endprodukt darstellen auf einer beliebigen Sprache erstellt werden. Zielprodukte wie Aufsätze sollten dennoch auf Deutsch formuliert werden, um einerseits die Unterrichtssprache und anderseits die Sprache der Sprechermehrheit in einer Region/in einem Land zu fördern.
Gäbe es weitere Möglichkeiten Züge des Translanguaging Ansatzes im Unterrichter zu integrieren oder diesen Gedanken sogar vollständig umzusetzen wäre ich äußerst interessiert daran – denn bedenke ich Ofelias sprachliches Bild des „ein- und zweihändigen Schlagzeugspielers“ sollte jeder Lernerin und jedem Lerner die Chance gegeben werden „mit beiden Händen zu spielen“.
Das Konzept von Translanguaging – wie Garcia es vorstellt – bietet meiner Meinung nach viele Vorteile.
Unsere Gesellschaft wird immer heterogener und der Umgang mit Mehrsprachigkeit im Unterricht ist eine wichtige Frage bei der Unterrichtsplanung von Lehrkräften. Ziel ist es, alle Schülerinnen und Schüler in den Unterricht mit einzubinden, doch das gestaltet sich häufig als sehr schwer, zumal im Klassenzimmer meist viele unterschiedliche Sprachen der Kinder und Jugendlichen vorhanden sind. Garcia schlägt nun vor, dass in einer Art Verhandlung die Schülerinnen und Schüler auf der einen und die Lehrkraft auf der anderen Seite aushandeln, wann welche Sprache genutzt werden sollte. Dadurch würde die Macht nicht mehr von der Sprache ausgehen, sondern den Schülerinnen und Schülern wird die Macht übertragen. Diesen Vorschlag sehe ich kritisch, da die Gefahr besteht, dass die Schülerinnen und Schüler zu häufig ihre Erstsprache im Unterricht bevorzugen, wenn sie diese „besser“ beherrschen als die deutsche Sprache. Außerdem stellt dieser Verhandlungsprozess eine große Herausforderung für die Lehrkraft dar. Sie muss bereit sein, die Kontrolle über das Unterrichtsgeschehen für eine gewisse Zeit abzugeben, was vielen schwerfällt. Aus meiner Erfahrung in Praktika habe ich den Eindruck gewonnen, dass viele Lehrkräfte den klassischen Plenumsunterricht nach wie vor offenen Unterrichtsformen vorziehen, da sie bei der Plenumsform am meisten das Gefühl haben, das Unterrichtsgeschehen in die Richtung lenken zu können, die sie beabsichtigen.
Gewinnbringend kann sich der Ansatz meiner Meinung nach entwickeln, wenn die Lehrkraft gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Zeitpunkte verhandelt, in denen sie in ihrer Erstsprache kommunizieren können. Dies bietet sich besonders in Partner- oder Gruppenarbeiten meiner Meinung nach an.
Das Konzept des Translanguaging im Unterricht umzusetzen, fordert sowohl von den Lehrkräften als auch von den Schülerinnen und Schülern gewisse Kompetenzen. Aber es ist durchaus einen Versuch wert. Denn wie Garcia es ausdrückt, handelt es sich um eine große Ungerechtigkeit, wenn Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Erstsprache nur in ihrer Zweitsprache kommunizieren und damit nur weniger als die Hälfte ihres Repertoires nutzen dürfen , während Kinder und Jugendliche mit Deutsch als Erstsprache ihr volles Potenzial entfalten können. In diesem Falle würde die Macht wieder von der Sprache ausgehen und nicht von den LernerInnen.
Das vorgestellte Modell von Translanguaging stellt eine Variante dar, mit welcher Mehrsprachigkeit in den Unterricht eingebracht werden kann. Dadurch kann eine Wertschätzung der von den Schülerinnen und Schülern eingebrachten Fremdsprachen erfolgen. Es gibt allerdings sowohl Chancen als auch Risiken, die so ein Vorgehen mit sich bringt.
Ein sehr wichtiger Aspekt ist der, dass die Schülerinnen und Schüler, welche eine Fremdsprache sprechen, im „normalen“ Schulalltag gar keine Möglichkeit haben dieses zusätzliche Wissen einzubringen. Durch das Modell des Translanguaging ist dieses möglich und den Schülerinnen und Schülern wird eine Wertschätzung für ihr zusätzliches Wissen und Können entgegen gebracht.
Allerdings muss eindeutig geklärt werden, dass nicht in allen Situationen im Unterricht das Sprechen einer Fremdsprache von Vorteil ist. Zum Beispiel in einem Plenumsgespräch mit der ganzen Klasse ist es unmöglich, dass in verschiedenen Fremdsprachen gesprochen wird. Denn dann ist es nicht mehr gegeben, dass alle Teilnehmenden das Gespräch verfolgen können. In anderen Kontexten, wie zum Beispiel in einer Partner- oder Gruppenarbeit ist es aber auf jeden Fall möglich auch Fremdsprachen einzubringen.
Vor allem Kindern, welche eventuell noch nicht so gut Deutsch sprechen, wird es so ermöglicht sich die Gegenstände des Unterrichts noch einmal verständlicher auf ihrer Muttersprache verständlicher zu machen. Es kann also durchaus ein Vorteil sein.
Das Konzept des Translanguaging ist also auf jeden Fall etwas, womit sich jede Lehrkraft auseinandersetzen sollte. Allerdings sind für die Durchführung bestimmte Regeln und Absprachen notwendig. Darüber muss sich eine Lehrkraft, die dieses Konzept in ihrem Unterricht einbringt, bewusst sein und muss dieses auch mit den Schülerinnen und Schülern besprechen.
I believe that translanguaging should be embraced by teachers when teaching multilinguals. Multilingualism is more accommodating to today’s reality because in most schools today, there are many multilingual learners. That is why the teacher’s stands, preparation, design and shifting need to be considered. A proper intercultural training and experience in multilingual classrooms need to be obtained.
As a multilingual learner myself, while learning German as a beginner, I was not able to use other languages to express myself, or even ask my other Farsi speaking classmates for help, which was a great hindrance to me to proceed with my learning. The use of other languages facilitates the learning process. The lack of such can lead to less teamwork and lost motivation due to that language barrier.
As someone who has gone through the learning process as a bilingual and someone who has taught bilinguals, I believe it would be valuable for the students to have more instructors familiar with translanguaging or with a bilingual/multilingual background to be able to relate to the learning process.
By implementing translanguaging in teaching, it will enable teachers to utilize the entire linguistic repertoire, consider language-as-resource and seek to activate their linguistic resources to make them efficient language learners. Translanguaging retains an emphasis on language as a tool for communication, which is ultimately more relevant to real life.
Meiner Meinung nach, ist das Modell des Translaguaging in der Theorie eine gute Methode um Sprachvielfalt und Mehrsprachigkeit zu fördern. Jedoch sehe ich eine schulische Institution nicht in der Pflicht sich zu bemühen, dass eine Erstsprache bzw. eine Muttersprache, die in der internationalen Arbeitswelt keine wirklichen Vorteile mit sich bringt, erhalten bleibt. Ich finde, dass dies noch Aufgabe der jeweiligen Eltern sein sollte, vorausgesetzt natürlich, sie bestehen darauf, dass ihr Kind die eigene Muttersprache beherrscht. Bei der Mehrsprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund, müssen sich Eltern der Gefahr bewusst sein, dass ohne häusliche oder privater Förderung die Muttersprache verlernt oder nicht gekonnt wird. Vor allem in Zeiten des Kulturzuwachses, finde ich die Aufgabe für eine Lehrperson mit bis zu 30 Kindern in einem Klassenraum für unzumutbar, allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ich könnte mir dieses Konzept aber auf privaten Schulen mit geringerer Schüleranzahl gut vorstellen. Jedoch besteht weiterhin die Gefahr, dass das Translaguaging eine Barriere für die Integration, in Form der fehlenden Motivation des Spracherwerbs des jeweiligen Landes, von Kindern mit Migrationshintergrund wird.
Der Beitrag kam von mir
Die Frage, ob Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer wünschenswert ist, oder nicht, finde ich weitestgehend überflüssig. Schließlich ist sie längst allgegenwärtig, die Frage, die sich vielmehr aufdrängt ist: Wie geht man mit ihr um.
Wie gehen insbesondere Lehrkräfte mit ihr um? Wie verhalten sich ganze Institution der Mehrsprachigkeit gegenüber (Schulen, Universitäten, Kultusministerien, etc.)? Der Translanguaging-Ansatz, beschrieben von Ofelia García, bietet meine Meinung nach viele interessante Perspektiven, die dazu anregen, die sprachlichen Konventionen im Unterricht zu hinterfragen. Sie spricht von „stances“, also Haltungen und Einstellungen, die in der Translanguaging pedagogy anders sind, als im herkömmlichen (Fremd-)Sprachenunterricht. Der beschriebene ganzheitliche Ansatz, der alle Sprachen eines Lerners als gleichberechtigte Sprachen anerkennt und diese auch entsprechend ganzheitlich nutzt, scheint mir ein lohnenswerter und produktiver „stance“ zu sein. Lehrer/innen können mit Sicherheit viel von dieser offenen Haltung lernen. Dennoch fürchte ich, dass die Realität im Klassenzimmer den Translanguaging-Ansatz schnell aushebelt. Zum Einen sind die Sprachen im Klassenzimmer wirklich mehrsprachig, d.h. es lassen sich (je nach Einzugsgebiet) sicherlich 3-7 bilinguale SuS finden, mit jeweils unterschiedlichen „proficiencies“ in den jeweiligen Sprachen. Zum Anderen muss die Lehrkraft zunächst die Toleranz aufbringen, Dinge im Klassenzimmer nicht zu verstehen, denn in den meisten Fällen sind die Sprachen der SuS dem Lehrer unbekannt. Selbst wenn eine Lehrkraft dies toleriert, steht immer noch die Frage der Mehrarbeit im Raum und noch viel mehr, wo und wie Lehrkräfte Hilfen finden, um Translanguaging methodisch konkret im Unterricht realisieren zu können. Und schließlich ist da noch der Bewertungsdruck, den Lehrer/innen nun mal haben: Wie sollen sie die Leistungen von SuS auf einer Sprache beurteilen, die sie selbst nicht beherrschen?
Um Translanguaging im Unterricht umsetzen zu können, müsste dieser also didaktisch noch wesentlich konkretisiert werden und vor allem in der Lehrer/innen Ausbildung greifbar gemacht werden.
In vielen Punkten schließe ich mich den bisher geschriebenen Kommentaren an. Garcias Ansatz des Translanguagings bietet eine Vielzahl von Chancen, jedoch wirft er auch einige Fragen auf und bringt Herausforderungen mit sich. Der Aspekt, dass das ganze Sprachrepertoire der Schülerinnen und Schüler ausgeschöpft wird, finde ich sehr gut. Es ist wichtig, dass Lehrpersonen nicht nur das sehen, was die Schülerinnen und Schüler nicht können, sondern auch ihre Kompetenzen in anderen Sprachen wertschätzen. So wird soziale Ungerechtigkeit abgebaut, die insbesondere in Deutschland im Bildungswesen noch immer herrscht. Als positiv erachte ich auch, dass die Sprachen nicht separiert werden sollen, sondern als Ganzes in den Unterricht eingebracht werden können.
Die Praxis kann ich mir jedoch nur schwer vorstellen. Wie kann es gelingen, dass alle Schülerinnen und Schüler das gesamte Unterrichtsgeschehen nachvollziehen können? Auch denke ich, dass die Mehrsprachigkeit für die meisten Lehrerinnen und Lehrer zu einer Herausforderung werden könnte. Sie benötigen neben einer großen Offenheit ebenfalls Kompetenzen in anderen Sprachen.
Ich denke, dass man das Prinzip des Translanguaging in einigen Unterrichtssequenzen gut und effektiv umsetzen kann. Die Lehrkräfte müssen sich trauen in kleinen Schritten die Vorteile des Translanguaging in ihren Unterricht einzubringen…
I believe that the concept of Translanguaging has a lot of good potential when thinking about teaching. It is a concept that embraces multilingualism and it gives every child in class the opportunity to solve the assignments in their language of choice. It gives, as Dr. Garcia is stating, the power back to the speaker, back to the child. It is often seen in class that bilingual children are used as some kind of language commissioner and are often asked to explain how certain features work in their language or their culture. The concept of Translanguaging trusts the choice with the speaker so that they can decide whether they want to use their first or second (or third) language while solving the assignment.
The idea of having only one “unitary mean making system” rather than two different language systems, seems quite good to me. I also speak more than one language and sometimes notice that even though I am in a monolingual context, the word in the other language pops up first and sometimes only that word is retrievable in that moment. I really think that children in school should have the opportunity to express this and should be able to solve the assignments as best as they can, be it in their L1 or L2.
While having a little experience in school myself, I suppose there are hundreds of opportunities in class to let the students work in their language of choice. While they solve mathematical problem, or write a story. Also in science, they could describe the experiment in their language. While I see the positive side, there is also a negative one. How do you check whether they have it right or help them? As a teacher, you cannot learn all the different language to understand and to help them if needed. Often in lessons, you discuss the results at the end. If the students only solved the assignment in their language, they have to be able to also know how to present it in the official classroom language.
I think it is a great idea to give the bilingual children the same chances but there has to be a universal language in the classroom, which means they cannot always choose their language.
Ich bin der Ansicht, dass das Konzept des Translanguaging viel Potential für Schülerinnen und Schü-ler bieten kann aber nur, wenn sich Lehrkräfte über die Mehrsprachigkeit ihrer Schülerinnen und Schülern bewusst sind. Die Bewusstheit, Wertschätzung und Anerkennung seitens der Lehrkräfte und die Thematisierung und das Einbeziehen der verschiedenen Sprachen im unterrichtlichen Rahmen, sind Aspekte die dazu führen können, dass sich Schülerinnen und Schüler einer hetero-genen Klassengemeinschaft gleichberechtigt behandelt fühlen. Doch dies setzt voraus, dass sich Lehrkräfte thematisch mit der Mehrsprachigkeit und den Potentialen, die dies für alle Schülerinnen und Schüler bieten kann, auseinandersetzen und Kompetenzen erwerben. García bezeichnet es als „unfair“ den mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern gegenüber, wenn diese im Unterricht nur in ihrer Zweitsprache kommunizieren dürfen und ihre weiteren Sprachkenntnisse unbeachtet blei-ben. Unfair in dem Sinne, dass „einsprachige“ Schülerinnen und Schülern über ihren gesamten Sprachschatz verfügen, wohingegen mehrsprachige Schülerinnen und Schüler nur einen Bruchteil ihrer Sprachkenntnisse im Unterricht anwenden können.
Aus meinen Praxiserfahrungen kann ich bestätigen, dass sich mehrsprachige Schülerinnen und Schüler immer sehr gefreut haben, wenn ihre L1 Sprache in den Unterricht miteinbezogen wurde. Ob die Länder thematisiert wurden, aus denen die Schülerinnen und Schüler eingewandert waren, bestimmte Wörter in der L1 Sprache der Schülerinnen und Schüler erfragt wurden oder die Schüle-rinnen und Schüler Partnerarbeiten in „ihren“ Sprachen durchführen konnten, in jeder dieser Situa-tionen gab es einen erkennbaren Mehrwert für den DaZ-Lerner als auch für den DaM-Sprecher. Motivation, Fröhlichkeit, Interesse, Mut, Engagement…all das kam zum Vorschein.
Ich bin demnach der Meinung, dass Translanguaging einen entscheidenden Mehrwert für den Un-terricht, für die Lehrkräfte und besonders für die Schülerinnen und Schüler bieten kann.