Vom 20.11.2017 bis zum 01.12.2017 haben wir eine offene Diskussion auf dieser Webseite geführt. Das Konzept des Translanguaging, welches den Prozess beschreibt, bei dem mehrsprachige SprecherInnen ihre Sprachen als ein integriertes Kommunikationssystem nutzen, befasst sich mit Fragen der Sprachproduktion, der effektiven Kommunikation und der Denkprozesse während des Sprachgebrauchs. Es beschreibt Mehrsprachigkeit als einen dynamischen Prozess, in dem mehrsprachige SprecherInnen komplexe soziale und kognitive Aktivitäten unter Berücksichtigung all ihrer ihnen zu Verfügung stehenden sprachlichen Ressourcen bewältigen. Als Diskussionsanregungen für das Diskussionsthema „Multilingualität und Sprachaneignung im Unterricht“ wurden folgende Anregungen in Form von textuellen Statements im Forum integriert:

Die müssen doch Deutsch lernen! In der Praxis wird das Thema diskutiert und auch
Schüler sagen, der Unterricht soll monolingual sein. Die andere Sprache ist für
Zuhause. Wie kann die Umsetzung im Unterricht aussehen? Welche Hürden (z.B.
Sprachkenntnisse, Motivation etc.) gibt es? Wie sehen erfolgreiche Konzepte aus?

Die Diskussion beginnt mit einem Kommentar zum Thema Translanguaging, welches im Vortrag von Prof. Ofelia Garcia ausführlich behandelt wurde. Von den Diskussionsteilnehmern wird der Ansatz des Translanguaging als interessant bewertet, da er eine Sichtweise in Bezug auf einen wertschätzenden und gewinnbringenden Umgang mit Mehrsprachigkeit integriert. Diese Sichtweise gelte sowohl in Bezug auf den schulischen Bereich, als auch auf das allgemeine Zusammenleben in einer multilingualen Gesellschaft. Als Vorteile, welche Translanguaging insbesondere im schulischen Bereich mit sich bringe, wird angenommen, dass es effektiv sei, wenn man den Schülern, bzw. den Sprechern, die Entscheidung übertragen würde, von welcher Sprache sie im Unterricht Gebrauch machen wollen oder welche Merkmale aus einer Sprache abgerufen werden. Demnach sei es sinnvoll, den Diskurs im Unterricht überwiegend dann in deutscher Sprache zu vollziehen, wenn die Klasse an dem Dialog beteiligt ist. Ebenso sollten Phasen der Ergebnissicherung, Leistungskontrollen wie Klassenarbeiten oder auch die Unterrichtssprache der Lehrperson in der deutschen Sprache realisiert werden. Im Gegenzug könne man sich vorstellen, Unterrichtseinheiten wie Gruppenarbeiten oder generell Arbeitsphasen so zu gestalten, dass in diesem Rahmen der Sprecherin oder dem Sprecher die Wahl seiner Sprache überlassen ist. Auf diese Weise könnte man den Schülern/Schülerinnen die Möglichkeit geben, „Vorprodukte“ wie Notizen, Vorschriften oder andere Verschriftlichungen, die noch nicht das Endprodukt darlegen, auf einer selbst gewählten Sprache zu verfassen. Im Gegensatz dazu wird vorgeschlagen, dass Zielproduktionen wie bspw. Aufsätze auf Deutsch formuliert werden sollten, um einerseits die Unterrichtssprache und anderseits die Sprache der Sprechermehrheit in einer Region/in einem Land zu fördern.

“Gäbe es weitere Möglichkeiten Züge des Translanguaging Ansatzes im Unterrichter zu integrieren oder diesen Gedanken sogar vollständig umzusetzen wäre ich äußerst interessiert daran – denn bedenke ich Ofelias sprachliches Bild des „ein- und zweihändigen Schlagzeugspielers“ sollte jeder Lernerin und jedem Lerner die Chance gegeben werden „mit beiden Händen zu spielen“.”

Andererseits wird das Konzept von Translanguaging in Frage gestellt, da gerade im Bildungskontext die Gefahr bestehe, dass Schülerinnen und Schüler zu häufig ihre Erstsprache im Unterricht bevorzugen, wenn sie diese „besser“ beherrschen als die deutsche Sprache. Aufgrund der immer heterogener werdenden Gesellschaft und der zunehmenden Wichtigkeit von Mehrsprachigkeit im Unterricht sollte die Frage der Sprachwahl bei der Unterrichtsplanung von Lehrkräften beachtet werden. Ziel solle es demnach sein, dass alle Schülerinnen und Schüler in den Unterricht gleichermaßen eingebunden werden. Dieses gestalte sich jedoch zunehmend als schwer, da häufig mehrere unterschiedliche Muttersprachen aufeinandertreffen. Der Vorschlag von Prof. Garcia, dass in einer Art Verhandlung die Schülerinnen und Schüler auf der einen und die Lehrkräfte auf der anderen Seite aushandeln, wann welche Sprache genutzt werden sollte, wird als kritisch bewertet.  

“Dadurch würde die Macht nicht mehr von der Sprache ausgehen, sondern den Schülerinnen und Schülern wird die Macht übertragen. Diesen Vorschlag sehe ich kritisch, da die Gefahr besteht, dass die Schülerinnen und Schüler zu häufig ihre Erstsprache im Unterricht bevorzugen, wenn sie diese „besser“ beherrschen als die deutsche Sprache. Außerdem stellt dieser Verhandlungsprozess eine große Herausforderung für die Lehrkraft dar. Sie muss bereit sein, die Kontrolle über das Unterrichtsgeschehen für eine gewisse Zeit abzugeben, was vielen schwerfällt. Aus meiner Erfahrung in Praktika habe ich den Eindruck gewonnen, dass viele Lehrkräfte den klassischen Plenumsunterricht nach wie vor offenen Unterrichtsformen vorziehen, da sie bei der Plenumsform am meisten das Gefühl haben, das Unterrichtsgeschehen in die Richtung lenken zu können, die sie beabsichtigen.”

“Gewinnbringend kann sich der Ansatz meiner Meinung nach entwickeln, wenn die Lehrkraft gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Zeitpunkte verhandelt, in denen sie in ihrer Erstsprache kommunizieren können. Dies bietet sich besonders in Partner- oder Gruppenarbeiten meiner Meinung nach an.”

“Das Konzept des Translanguaging im Unterricht umzusetzen, fordert sowohl von den Lehrkräften als auch von den Schülerinnen und Schülern gewisse Kompetenzen. Aber es ist durchaus einen Versuch wert. Denn wie Garcia es ausdrückt, handelt es sich um eine große Ungerechtigkeit, wenn Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Erstsprache nur in ihrer Zweitsprache kommunizieren und damit nur weniger als die Hälfte ihres Repertoires nutzen dürfen, während Kinder und Jugendliche mit Deutsch als Erstsprache ihr volles Potenzial entfalten können. In diesem Falle würde die Macht wieder von der Sprache ausgehen und nicht von den LernerInnen.”

Aber es gab auch die Meinung, dass die Förderung von Sprachen, „[…] die in der internationalen Arbeitswelt keine wirklichen Vorteile mit sich […]“ bringen, nicht die Aufgabe einer schulischen Institution sind. Gleichzeitig könnte bei Klassen mit hoher Schüleranzahl und entsprechend hoher Sprachvielfalt nicht jede Sprache ausreichend berücksichtigt werden. Vielmehr seien die Eltern in der Pflicht, sicherzustellen, dass die jeweilige Erstsprache erhalten bleibt bzw. gefördert wird. Ein zu starker Fokus auf die Erstsprache könnte zudem dazu führen, dass die Motivation zum Erwerb der Sprache des jeweiligen Landes gesenkt wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in der deutlichen Mehrheit der Beiträge als sinnvoll erachtet wird, die Erstsprache von Kindern mit Migrationshintergrund in den Unterricht zu integrieren. Dies muss allerdings methodisch wohl überlegt sein. Insbesondere die Lehrkräfte stehen hierbei vor der Herausforderung, geeignete Konzepte vor dem Hintergrund eines Lehrplans zu integrieren. Nicht zuletzt muss die jeweilige Lehrkraft in der Lage sein, die Fremdsprachen entweder teilweise selbst zu verstehen oder aber zumindest den Einsatz im entsprechenden Rahmen sinnvoll zu steuern.

 

Die vollständige Diskussion können Sie HIER finden.